Bert Hellinger - Entwickler der Familienaufstellung
Pionier der systemischen Therapie und Familienaufstellungen

Bert Hellinger (geb. Anton Hellinger, 16. Dezember 1925 – †19. September 2019) war ein deutscher Psychotherapeut, Theologe und Autor. Er wurde international bekannt als Begründer der Familienaufstellungen (auch Systemaufstellung genannt), einer Methode der systemischen Therapie. Seine Arbeit prägte die psychotherapeutische Landschaft stark und löste gleichzeitig erhebliche Kontroversen aus – sowohl aufgrund seiner therapeutischen Praxis als auch seiner späteren spirituellen Ansichten.
Frühe Jahre und Prägung
Bert Hellinger wurde am 16. Dezember 1925 in Leimen (Baden) unter dem Namen Anton Hellinger geboren. Er wuchs in Köln in einer streng katholischen Familie auf. Sein Vater war Eisenbahner, streng religiös und in seinem Erziehungsstil autoritär, was das Verhältnis zwischen Vater und Sohn belastete. Die politische Lage im nationalsozialistischen Deutschland hinterließ Spuren: Als Mitglied einer verbotenen katholischen Jugendbewegung stand er unter Beobachtung der Gestapo.
Nach dem Zweiten Weltkrieg trat er dem Orden der Mariannhiller Missionare bei, studierte Philosophie und Katholische Theologie und wurde zum katholischen Priester geweiht. Als Ordensmitglied führte Hellinger den Namen Suitbert, abgekürzt als „Bert". In Südafrika arbeitete Hellinger 16 Jahre lang mit Zulu-Gemeinschaften zusammen. Diese Zeit prägte ihn tief: Die Zulu-Kultur, ihr Umgang mit Konflikten, Spiritualität und Heilung hinterließen bleibende Eindrücke, die sich später in seiner therapeutischen Arbeit widerspiegeln sollten.
Ausbildung zum Therapeuten
Nach seiner Rückkehr nach Europa in den 1960er-Jahren verließ er den Orden und legte das Priesteramt ab. Er absolvierte eine psychoanalytische Ausbildung in Wien und begann sich intensiv mit verschiedenen Formen von Psychotherapie auseinanderzusetzen:
- Gestalttherapie (nach Fritz Perls)
- Primärtherapie (nach Arthur Janov)
- Transaktionsanalyse (nach Eric Berne)
- Hypnotherapie (nach Milton Erickson)
- Systemische Familientherapie (nach Virginia Satir)
Aus der Synthese dieser Einflüsse, besonders der Familienrekonstruktion von Virginia Satir, entwickelte er seine eigene Methode: die Familienaufstellung.
Die Entwicklung der Familienaufstellung
In den 1980er/1990er Jahren begann Hellinger mit dem, was später als klassische Familienaufstellung bezeichnet wurde. Dabei werden durch "Stellvertreter" Familienmitglieder symbolisch im Raum aufgestellt, um unbewusste Verstrickungen innerhalb eines Familiensystems sichtbar zu machen. Hellinger beobachtete, dass Menschen oftmals Schicksale früherer Generationen – etwa Schuld, Verlust oder Trauma – übernahmen, um ihre Zugehörigkeit zu sichern. Er nannte dies Systemische Verstrickung.
Wie funktioniert eine Familienaufstellung?
Bei der Familienaufstellung nach Hellinger werden vom Aufstellenden beliebige Personen aus dem Kreis der Anwesenden stellvertretend für Familienmitglieder räumlich so angeordnet, dass sie seiner Wahrnehmung der Familiensituation entsprechen. Die Veränderung der Sicht der Probleme des Klienten soll sich dann durch intellektuelle und emotionale Erkenntnisse aus einem "wissenden Feld" vollziehen.
Hellinger entwickelte später die so genannten "Bewegungen der Seele und des Geistes", bei denen die Stellvertreter sich schweigend ihren Bewegungsimpulsen aus der Rolle und dem systemischen Feld überlassen. Dies führe meist zu dramatischen, zumeist lösenden Bewegungsbildern.
Internationale Wirkung & Weiterentwicklungen
Bert Hellinger wurde weltweit bekannt. Seine Methode wurde in vielen Ländern aufgegriffen, insbesondere in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Russland, Lateinamerika und Asien und hat die systemische Therapie und Familientherapie nachhaltig geprägt. Zahlreiche Schulen und Therapeuten entwickelten seine Arbeit weiter:
- Organisationsaufstellungen (Systemanalyse in Unternehmen)
- Strukturaufstellungen (nach Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer)
- Symptomaufstellungen (psychosomatische Beschwerden)
- Traumaaufstellungen (in Kombination mit Traumatherapie)
Auf seinem Vermächtnis aufbauend wurde auch die deutsche Gesellschaft für systemische Therapie gegründet (dgsf), die sich das Ziel setzt, Standards für die Ausbildung, Qualitätssicherung und Ethik im Bereich der Systemaufstellungen zu etablieren.
Kontroverse & Kritik
In Fachkreisen war Hellinger umstritten. Kritiker warfen ihm unter anderem vor:
- ein autoritäres Auftreten in Seminaren und Demonstrationen
- eine fehlende wissenschaftliche Fundierung seiner Methode
- eine vereinfachende Darstellung komplexer psychischer Prozesse
- Grenzüberschreitungen in Aufstellungsprozessen
- esoterisch-spirituelle Weltbilder, die als dogmatisch empfunden wurden
Trotz der Kritik blieb seine Arbeit für viele ein wertvoller Impulsgeber – besonders im Kontext persönlicher und transgenerationaler Heilungsprozesse.
Zitate von Bert Hellinger
"Liebe gelingt nur in der Ordnung."
"Was anerkannt wird, kann gehen. Was verdrängt wird, bleibt."
"Alles, was wirkt, ist größer als wir."
"Wir sind mehr durch das geprägt, was wir übernommen haben, als durch das, was wir selbst erlebt haben."
Wichtige Veröffentlichungen
- "Ordnungen der Liebe" (1994) – Grundwerk zu seinen Konzepten
- "Zentrum und Peripherie" – Weiterführung Hellingers Methode
- "Rückkehr zur Liebe" – Über Bindung, Partnerschaft, Lösung
- "Die Quelle braucht nicht zu fragen, wohin sie fließt" – spirituelle Vertiefungen
- "Erkennen, was wirkt" – Interviews zu seinem Lebenswerk
Persönliches Leben und Tod
Bert Hellinger war zweimal verheiratet. Seine erste Ehefrau lernte er nach dem Austritt aus dem Orden kennen, mit ihr hatte er drei Kinder. In den 1990er-Jahren heiratete er in zweiter Ehe Sophie Hellinger. Gemeinsam gründeten sie das internationale Institut Hellinger𝐼leben®.
In den späten Jahren seines Lebens zog er sich aus der öffentlichen Aufstellungsarbeit zurück, war jedoch weiterhin schriftstellerisch und als spiritueller Lehrer tätig. Er starb am 19. September 2019 im Alter von 93 Jahren in Bad Reichenhall.
Bert Hellingers Vermächtnis lebt in der systemischen Therapie und den Familienaufstellungen weiter und inspiriert noch heute Therapeuten und Coaches weltweit.