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Transderivationale Suche / transderivationaler Ableitungsprozess (Transderivational Search)

Definition

Die transderivationale Suche beschreibt im NLP den Prozess, durch den Menschen aus einer sprachlichen Äußerung oder einem inneren Zustand tiefere, individuelle Bedeutungen ableiten, die über die ursprüngliche Information hinausgehen. Der Begriff wird in zwei Hauptbedeutungen verwendet:

  1. Suchprozess nach einer spezifischen Tiefenstruktur:
    Wird durch vage oder metaphorische Sprache ausgelöst (z. B. im Milton-Modell), wodurch der Zuhörer eigene Bedeutungen und persönliche Bezüge aus seinem Gedächtnis aktiviert.
  2. Kinästhetische Erinnerungs-Strategie:
    Ein aktueller innerer Zustand wird genutzt, um in der Vergangenheit nach einer Referenzerfahrung zu suchen, die diesen Zustand repräsentiert oder hervorgerufen hat.

Beispiel

Ein Therapeut erzählt eine Metapher: Der Klient hört die Geschichte (Oberflächenstruktur), versteht die Handlung (Tiefenstruktur 1), und interpretiert sie schließlich im Bezug zu seinem eigenen Leben (Tiefenstruktur 2), wodurch ein innerer Prozess oder eine neue Einsicht aktiviert wird.

Ursprung und theoretischer Hintergrund

Der Begriff stammt aus der Linguistik und wurde von Richard Bandler und John Grinder in das NLP übertragen, um die Wirkungsweise von Metaphern und unspezifischer Sprache zu erklären. Er beschreibt, wie Zuhörer vage Aussagen interpretieren, indem sie unbewusst eigene Erinnerungen, Bedeutungen und Erfahrungen aktivieren. Die transderivationale Suche zeigt, dass der eigentliche Bedeutungsprozess nicht durch Worte selbst, sondern durch die inneren Ableitungen des Zuhörers entsteht.

Anwendungsbeispiele

  • Therapie: Eine metaphorische Geschichte aktiviert beim Klienten unbewusste Ressourcen und neue Sichtweisen auf ein Problem.
  • Coaching: Der Coach führt den Klienten in einen positiven Zustand und regt an, nach ähnlichen Erlebnissen in der Vergangenheit zu suchen, um Ressourcen zu aktivieren.
  • Persönlichkeitsentwicklung: Mithilfe der kinästhetischen Erinnerungsarbeit können frühere Prägungen erkannt und in neue Bedeutungsrahmen überführt werden.

Einsatzbereiche

  • Therapie: Förderung von Einsicht, Ressourcenzugang und emotionaler Verarbeitung.
  • Coaching: Entwicklung neuer Perspektiven durch Erinnerungsarbeit und Bedeutungsfindung.
  • Kommunikation: Schaffung tieferer Resonanz durch Metaphern und kunstvoll vage Sprache.
  • Persönlichkeitsentwicklung: Förderung innerer Reflexion und Selbstverstehen.

Methoden und Übungen

  1. Arbeit mit Metaphern: Erzähle eine Geschichte, die keine explizite Lösung vorgibt, sondern den Zuhörer anregt, eigene Bedeutungen und Bezüge zu finden.
  2. Kinästhetische Erinnerungs-Strategie: Identifiziere einen gegenwärtigen Zustand und frage: „Wann hast Du dieses Gefühl schon einmal erlebt?“ – So wird der Zugang zu früheren positiven Erfahrungen geöffnet.
  3. Milton-Modell-Sprachmuster: Verwende absichtlich unspezifische oder offene Formulierungen, um den Zuhörer zur inneren Bedeutungsbildung anzuregen.

Synonyme oder verwandte Begriffe

  • Transderivationaler Prozess
  • Tiefensuche
  • Kinästhetische Erinnerungsarbeit

Abgrenzung

Die transderivationale Suche unterscheidet sich von direkten Fragen oder konkreten Instruktionen, da sie den Fokus auf die Aktivierung unbewusster Prozesse legt. Anstatt Antworten vorzugeben, lädt sie dazu ein, Bedeutungen selbst zu erschließen – ein zentraler Aspekt sowohl im Milton-Modell als auch in der metaphorischen Therapie.

Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen

  • Individuell: Fördert Selbstreflexion, Einsicht und die Aktivierung unbewusster Ressourcen.
  • Praktisch: Erlaubt tiefgreifende Veränderungsprozesse, ohne direktive Eingriffe oder Konfrontation.
  • Wissenschaftlich: Gestützt durch Erkenntnisse der kognitiven Linguistik und der Psychologie der Erinnerung, die beschreiben, wie Bedeutungen konstruktiv erzeugt werden.

Kritik oder Einschränkungen

  • Subjektivität: Der Erfolg hängt von der Fähigkeit des Klienten ab, eigene Bedeutungen und Assoziationen zu bilden.
  • Abstraktheit: Personen, die konkrete Strukturen bevorzugen, können Schwierigkeiten mit vager Sprache und offenen Prozessen haben.

Literatur- und Quellenhinweise

  • Bandler, R., & Grinder, J. (1975). The Structure of Magic I. Science and Behavior Books, Palo Alto.
  • Gilligan, S. (1987). Therapeutic Trances: The Cooperation Principle in Ericksonian Hypnotherapy. Brunner/Mazel, New York.
  • Andreas, C. & Andreas, S. (1987). Heart of the Mind: Engaging Your Inner Power to Change with NLP. William Morrow and Company, New York.

Metapher oder Analogie

Die transderivationale Suche ist wie das Lesen zwischen den Zeilen:

Die Worte selbst sind nur die Oberfläche – doch durch eigene Assoziationen, Erinnerungen und Bedeutungen entsteht eine tiefere, persönlich relevante Botschaft. So wird Kommunikation zum Spiegel der inneren Welt.